Jedes Vitamin erfüllt andere Funktionen, doch in einem sind sie alle gleich: Schon per Definition ist jedes einzelne Vitamin für den Menschen unverzichtbar. Aufgrund ihrer Eigenschaften unterscheidet man die wasserlöslichen Vitamine B und C von den fettlöslichen Vitaminen A, D, E und K. Wie schon der Name verrät, lösen sich wasserlösliche Vitamine am besten in Wasser.
Im Normallfall bedeutet dies auch, dass sie nicht vom Körper gespeichert werden können. Die einzige Ausnahme ist hier Vitamin B12.
Nimmt man mehr von einem wasserlöslichen Vitamin zu sich, als der Körper aktuell benötigt, wird der Überschuss über den Urin wieder ausgeschieden.
So besteht so gut wie kein Risiko einer Überdosierung. Allerdings bedeutet dies auch, dass sich der Körper keine Reserven für „schlechte Zeiten“ anlegt und eine regelmäßige Versorgung mit wasserlöslichen Vitaminen von besonderer Wichtigkeit ist.
Vitamin B ist der Oberbegriff für eine Gruppe von insgesamt acht Vitaminen. Sie werden durch Nummern voneinander unterschieden, aber die Nummerierung ist nicht fortlaufend. Einige Nährstoffe wurden zunächst fälschlicherweise der Gruppe der B-Vitamine zugeordnet und belegten dadurch eine Ordnungszahl. Als ihre Wirkungsweise besser erforscht war, stellte sich heraus, dass es sich gar nicht um Vitamine handelte. Entsprechend gelten diese Stoffe inzwischen nicht mehr als B-Vitamin.
Allen B-Vitaminen gemeinsam ist, dass sie die Vorstufe verschiedener Coenzyme darstellen. Im Körper werden aus ihnen die entsprechenden Coenzyme gebildet, welche wiederum eine Rolle bei der Bildung von Enzymen spielen. Vitamin B1, der erste Vertreter der Gruppe, wurde 1910 entdeckt und 1912 das erste Mal isoliert.
Vitamin B1 spielt eine wichtige Rolle für die Nervenzellen und die koordinierte Weiterleitung von Informationen. Außerdem sorgt Thiamin dafür, dass überschüssige Kohlenhydrate als Fett gespeichert werden.
Es gilt als „Stimmungsvitamin“, weil ein Thiamin-Mangel Depressionen verursachen kann. Auch Konzentrationsschwäche und Müdigkeit können durch zu wenig Vitamin B1 verursacht werden.
In der Natur kommt Vitamin B1 nie isoliert vor. Im natürlichen Komplex findet es sich zum Beispiel in Bierhefe, Weizenkeimen, Sonnenblumenkernen, Pistazien, Buchweizen, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Kartoffeln oder Leber.
Beri-Beri
Die Erforschung von Vitamin B1 erfolgte zunächst als Reaktion auf die Vitaminmangel-Krankheit Beri-Beri. Ende des 19. Jahrhunderts brach diese in Asien verstärkt aus. Grund dafür waren moderne Reisschälmaschinen, welche zu dieser Zeit zum ersten Mal eingesetzt wurden.
Der geschälte Reis enthielt kein Vitamin B1 mehr und es kam zu verbreiteten Mangelerscheinungen. Als die beim Schälen entfernte Reiskleie der Nahrung wieder zugesetzt wurde, verschwanden die Mangelsymptome schnell.
Riboflavin wurde zuerst aus Milch isoliert und wird deshalb manchmal auch Lactoflavin genannt. Es ist außerdem zum Beispiel in anderen Milchprodukten, in Leber, Leinsamen, Mandeln, Quinoa und Gemüsesorten wie Spargel oder Brokkoli enthalten. Da zahlreiche Lebensmittel Vitamin B2 enthalten, kommt es nur in sehr seltenen Fällen zu einem Mangel.
Vitamin B2 erfüllt wichtige Aufgaben für den Stoffwechsel und ist am Aufbau und Schutz der roten Blutkörperchen beteiligt. Es ist wichtig für gesunde Schleimhäute und für die Augen. Im seltenen Fall eines Riboflavin-Mangels können rissige Mundwinkel, Zahnfleischentzündungen, Zittern oder das Gefühl eines Fremdkörpers im Auge auftreten. Schwangere und Alkoholiker sind vergleichsweise häufig von einem Mangel betroffen.
Als die europäischen Entdecker Mais aus der Neuen Welt mitbrachten, setzte sich die Pflanze schnell durch und wurde in einigen Regionen bald zum Hauptnahrungsmittel der ärmeren Bevölkerung. Doch bald darauf breitete sich eine bis dahin unbekannte Krankheit namens Pellagra aus. Die Betroffenen klagten über Durchfall, Hautprobleme und Demenz-Erscheinungen. Wie sich erst sehr viel später herausstellte, lag ein Niacin-Mangel vor.
Zwar enthält Mais genug Vitamin B3, doch dieses wurde erst durch eine spezielle Verarbeitung freigesetzt. Die Europäer kannten weder die entsprechende Technik noch ihre Bedeutung und wurden deshalb krank. Inzwischen ist die Wichtigkeit von Niacin – manchmal auch Nicotinsäure genannt – allgemein bekannt.
Das Vitamin hat Einfluss auf den Stoffwechsel und die Gemütsverfassung, ist an der Pigment- und Collagenbildung beteiligt und beeinflusst den Cholesterinspiegel. Es ist unter anderem in Geflügel, Getreide, einigen Nüssen und Hülsenfrüchten und Thunfisch enthalten.
Neben der Mangel-Erkrankung Pellagra können auch Reizbarkeit und Nervosität, Schlaflosigkeit oder Gewichtsverlust eine Folge von zu wenig Vitamin B3 sein.
Das Vitamin B5 wird auch als Pantothensäure bezeichnet und ist beispielsweise in Leber, einigen Fisch- und Käsesorten, Vollkorngetreide und Eiern enthalten. Es ist an verschiedenen Wachstums- und Entwicklungsprozessen beteiligt und wird für die Bildung von Blut, Antikörpern, Cholesterin und Hormonen benötigt. Außerdem leistet es einen Beitrag zum Haarwuchs und zur Hautpigmentierung.
Ein Pantothensäure-Mangel ist äußerst selten. Tritt er dennoch auf, kann es zu Müdigkeit, Lustlosigkeit, Magen-Darm-Problemen und Unregelmäßigkeiten im Hormonhaushalt kommen. Auch das Burning-Feet-Syndrom ist eine mögliche Folge. Hier stellen sich Missempfindungen an den Füßen ein – von Kribbeln über Taubheitsgefühle bis hin zu brennenden Schmerzen.
Besondere Wichtigkeit für den Aminosäuren-Stoffwechsel besitzt das Vitamin B6. Außerdem stimuliert es die körperliche Abwehr, ist wichtig für die Balance zwischen Natrium und Kalium und trägt zum Schutz des Nervenmarks bei.
Es ist in zahlreichen Lebensmitteln in geringen Mengen enthalten, so dass es nur in ganz seltenen Fällen zu einem Mangel kommt.
Besonders gute Lieferanten von Pyridoxin sind unter anderem Leber, Geflügel, Nüsse, Avocados, Bananen und Vollkornprodukte.
Kommt es doch zu einem Mangel an Vitamin B6, kann sich dieser auf sehr verschiedene Weisen äußern. Schlaf- und Angststörungen gehören ebenso zu den möglichen Begleiterscheinungen wie Muskelzuckungen und Krämpfe, Verdauungsprobleme und Wachstumsstörungen.
Auch Biotin ist in zahlreichen Lebensmitteln enthalten, so dass ein Mangel eher selten auftritt. Angesichts der wichtigen Funktionen von Vitamin B7 ist das auch gut so, denn das Vitamin ist für die Bildung von Haut- und Blutzellen ebenso von Bedeutung wie für die normale Zellentwicklung. Auch das Nervensystem und das Knochenmark sind auf Biotin angewiesen.
Überdurchschnittlich viel Biotin ist in Nüssen, Eigelb, Milch und Milchprodukten, Hülsenfrüchten und Champignons enthalten.
Fehlt es dem Körper an Biotin kann sich dies unter anderem auf die psychische Verfassung auswirken. Nervosität und depressive Verstimmungen sind möglich. Auch Müdigkeit und Abgespanntheit können auftreten, ebenso wie Schuppen und Haarausfall.
Vitamin B9 – auch als Folsäure bezeichnet – ist wichtig für die Zellteilung und –vermehrung und leistet einen Beitrag zu Entwicklungs-, Wachstums- und Reparaturprozessen. Außerdem ist Folsäure an der Bildung von Glückshormonen beteiligt. Ein Mangel an Vitamin B9 kann unter anderem Müdigkeit, Reizbarkeit, Haarausfall und Veränderungen an der Haut verursachen. Eine besondere Rolle spielt Vitamin B9 auch während der Schwangerschaft: Hier ist der Bedarf der Mutter erhöht und ein Mangel kann zu Komplikationen führen.
Natürliche Folsäure-Lieferanten sind zum Beispiel Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Eigelb, Leber und Spinat. In den USA und Kanada wird Folsäure aufgrund gesetzlicher Regelungen dem Weizenmehl zugesetzt.
Auch andere Länder reduzieren das Risiko eines Mangels durch ähnliche Maßnahmen. Die Länder der Europäischen Union beteiligen sich nicht an derartigen Initiativen.
Folsäure und Homocystein
Eine zu hohe Konzentration der Aminosäure Homocystein im Blut wird mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Erkrankungen in Verbindung gebracht. Eine dieser Erkrankungen ist der Schlaganfall bzw. Hirnschlag.
In einer Langzeitstudie mit 5522 internationalen Teilnehmern verabreichten kanadische Forscher* einer Versuchsgruppe aus Erwachsenen im Alter von mehr als 55 Jahren eine Nahrungsergänzung aus Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12. Eine Vergleichsgruppe erhielt ein Placebo.
Nach fünf Jahren stellten die Forscher fest, dass die Homocystein-Konzentration bei der Versuchsgruppe im Durchschnitt um 25 % geringer war als in der Placebo-Gruppe.
Auch Schlaganfälle traten in der Versuchsgruppe zu 25 % seltener auf. Studienteilnehmer aus Ländern, in denen keine Nahrungsmittel wegen der Gesetzeslage mit Folsäure angereichert werden, schienen besonders von der Nahrungsergänzung zu profitieren.
*Saposnik und andere (2009): Homocysteine-Lowering Therapy and Stroke Risk, Severity, and Disability. In: Stroke 40, S.1365-1372.
Vitamin B12 kommt unter den B-Vitaminen eine Ausnahmestellung zu, weil es sehr gut im Körper gespeichert werden kann. Es erfüllt Aufgaben für die Verwertung der Vitamine A und B9, unterstützt Blutgerinnung und Blutbildung sowie den Aufbau des Nervensystems und die Bildung neuer Knochensubstanz.
Durch die Speicherung von Cobalamin im Körper äußert sich ein Mangel häufig erst nach längerer Zeit. Kommt es dann allerdings zu Mangelerscheinungen, sind diese teilweise gravierend: Müdigkeit und Schwäche, Taubheitsgefühl, Impotenz oder gar Halluzinationen sind möglich.
Bestimmte Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und manche Medikamente können zu einer eingeschränkten Aufnahme von B12 führen.
Wer besonders viel Stress hat, kann ebenfalls einen erhöhten Bedarf haben und muss auf die ausreichende Zufuhr dieses Vitamins achten.
Die Versorgung mit Vitamin B12 über die Nahrung erfolgt fast ausschließlich durch tierische Produkte. Gerade Leber, Milch- und Milchprodukte und Fischsorten wie Aal oder Forelle sind sehr gute Cobalamin-Lieferanten.
Da Vitamin B12 fast ausschließlich in tierischen Nahrungsmitteln enthalten ist, kann die Cobalamin-Versorgung bei völligem Verzicht auf tierische Produkte ein Problem darstellen.
Veganer sind deshalb auf alternative Quellen angewiesen, wenn sie sich nicht dem Risiko eines Vitamin-B12-Mangels aussetzen wollen. Viele Veganer greifen auf Nahrungsergänzungsmittel zurück, um Mangelerscheinungen vorzubeugen.
Erfahren Sie mehr über Nahrungsergänzung bei veganer Ernährung
Die verschiedenen B-Vitamine finden sich im optimalen Verhältnis und unnachahmlich in der Natur. Natürliche B-Vitamine können besonders gut vom Darm aufgenommen werden und sind dadurch äußerst bioverfügbar.
Aufgrund seiner Bedeutung für das Immunsystem dürfte Vitamin C wohl das bekannteste aller Vitamine sein. Es ist außerdem für eine gesunde Haut und ein straffes Zahnfleisch wichtig, fördert die Aufnahme von Eisen und unterstützt den Abbau von Arzneistoffen in der Leber. Zudem gehört Vitamin C zu den wichtigsten Antioxidantien, welche Freie Radikale neutralisieren und so Zellschädigungen vorbeugen helfen.
Zitrusfrüchte gelten als gute Lieferanten von Vitamin C, aber noch wesentlich größere Mengen des Vitamins sind in der Acerolakirsche enthalten. Auch andere Obst- und Gemüsesorten leisten einen Beitrag zur Versorgung mit Vitamin C. Kommt es zu einem Mangel, kann sich dieser durch Entzündungen der Mundschleimhaut und Schmerzen an Zahnfleisch und Zunge äußern.
Skorbut
Zu den Zeiten der Entdecker wie Christoph Columbus oder Vasco da Gama war der Skorbut ein Schreckgespenst der Seefahrt: Gerade im Rahmen von langen Seereisen erkrankten oft große Teile der Besatzung. In den meisten Fällen verlief die Erkrankung tödlich und erst viel später erkannte die Medizin die Ursache.
Die Besatzung ernährte sich während langer Seereisen fast ausschließlich von haltbarem Pökelfleisch. Obst und Gemüse waren leicht verderblich und standen darum überhaupt nicht auf dem Speiseplan. Deshalb litten viele Matrosen an Vitamin-C-Mangel, welcher die Symptome des Skorbut auslöste. Als Zitrusfrüchte oder Sauerkraut in die Verpflegung der Seefahrer integriert wurden, bereitete der Skorbut keine Probleme mehr.
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